Seit 2018 präsentiert das TechnikRadar, gefördert von acatech - der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften - und der Körber Stiftung, die Ergebnisse repräsentativer Befragungen der deutschen Bevölkerung zu ihren Einstellungen zum technischen Wandel und zur Wahrnehmung seiner Chancen und Risiken. Entwickelt und ausgewertet wird die Studie von ZIRIUS.
In diesem Jahr zeigt sich, dass die Wahrnehmung von Nutzen und Risiken verschiedener Technologieentwicklungen durchaus von Krisen beeinflusst wird. Obwohl die übergeordneten Trends der Beurteilung relativ stabil sind, ist beispielsweise die während der Corona-Pandemie gesunkene Bedeutung von Datenschutz auf ihr früheres Niveau zurückgekehrt. Demgegenüber ist Klimaschutz, dem absolut betrachtet die gleiche Bedeutung wie im Vorjahr zugemessen wird, von der gewachsenen Wichtigkeit des Erhalts der inneren Sicherheit und der Gewährleistung von Datenschutz vom zweiten auf den vierten Rang verdrängt worden, nur in der jüngsten Alterskohorte (16-34) steht er weiterhin an zweiter Stelle.
Als im Frühjahr 2022, das Schwerpunktthema „Bauen und Wohnen“ kurz nach dem russischen Angriff der Ukraine festgelegt wurde, war bereits klar, dass bezahlbares und nachhaltiges Wohnen politisch große Bedeutung hat. Damals war aber noch nicht absehbar, vor welchen Energiekrisen das Land kurze Zeit später stehen würde. Denn trotz der ehrgeizigen Ziele der Energiewende galt die Versorgungssicherheit in der Bevölkerung als große Selbstverständlichkeit, drohte bisher selten eine Energieknappheit so unmittelbar. Das hat sich durch den Wegfall von russischem Gas und einen den Lieferumfang begrenzenden Preisdeckel auf russisches Öl grundlegend geändert. Seither ist sich Deutschland seiner hohen Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern, insbesondere im Wärmebereich, schmerzlich bewusst geworden. Die russische Invasion in der Ukraine hat aber nicht nur das Thema Energiesicherheit mit einem gewaltigen Schlag ganz oben auf die politische Agenda gesetzt, sondern der gesamte Bereich Bauen und Wohnen ist durch den verursachten Zuzug von Geflüchteten und die abrupte Verknappung von Baumaterial (Stahl, Holz) stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit geraten. Die Ergebnisse der Befragung im Herbst 2022 für das TechnikRadar 2023 zeigen vor diesem Hintergrund eine überraschend große Bereitschaft der Bevölkerung zum Energiesparen substanziell beizutragen. Knapp 90 Prozent der Befragten sehen Möglichkeiten zum Energiesparen durch eigenes Verhalten in den Bereichen Strom, Wärme/Warmwasser und Mobilität. Die Jüngeren, sowie Personen mit geringem Haushaltseinkommen schätzen diese für sich größer ein als der Durchschnitt, Ältere sehen bei sich eher unterdurchschnittliches Einsparpotenzial. Die angegebene Bereitschaft, in eine energetische Sanierung zu investieren liegt in der Gruppe der Eigentümer*innen bei über 80 Prozent. Bei den Mieter*innen würden über 50 % eine Mieterhöhung im Umfang der eingesparten Kosten zu akzeptieren – also deutlich mehr, als die politische Debatte nahelegt.
Für den Winter 2022/23 zeigt nun eine inzwischen in Nature Energy veröffentlichte Studie (Ruhnau et al. 2023), dass in den deutschen Haushalten durchschnittlich 23 Prozent Gas eingespart wurden, aus Angst vor unübersehbaren Kostensteigerungen, aber auch um einer Energiemangellage zuvor zu kommen. Wo ist nun die Berichterstattung, die diese Bereitschaft der deutschen Haushalte zur Verbrauchsminderung und ihre Umsetzung anerkennt und in der politischen Debatte aufgreift? Ein verringerter Rohstoff- und Energieverbrauch dient unmittelbar den Pariser Klimazielen. Suffiziente Verhaltensänderungen sind der einfachste Weg dahin. Durch die mediale Kommunikation des Erreichten kann die wahrgenommene Selbstwirksamkeit der Deutschen gestärkt werden und ihre Zuversicht, die Herausforderungen der Zukunft souverän zu meistern.
Zugleich ist richtig, dass die finanziellen Möglichkeiten, durch den Einsatz neuer Technologien Energie zu sparen, sehr ungleich verteilt sind. Die durchschnittlich angegebene Summe, die Hauseigentümerinnen und -eigentümern für eine energetische Sanierung zur Verfügung steht, liegt bei 13.250 Euro. Jener Wert (Median), der in der Befragung die individuell als verfügbar angegebenen Budgets in der unteren Hälfte der Befragten von der oberen Hälfte trennt, liegt bei 8.000 Euro. Ein Viertel gibt an, weniger als 500 Euro für eine Sanierung ausgeben zu können. Befragte mit einem Hochschulabschluss nennen durchschnittlich eine fast doppelt so hohe Summe (20.263 Euro) wie die Befragten ohne Hochschulabschluss (11.385). Diejenigen, für die der Klimaschutz eine besonders hohe Dringlichkeit hat, sind zwar eher bereit, entsprechende Investitionen zu tätigen, aber ihr Budget dafür ist nicht höher als das der anderen Befragten. Alle genannten Summen liegen trotz vieler Fördermöglichkeiten dramatisch unter jenen Kosten, mit denen für eine energetische Modernisierung, etwa durch den Austausch einer Gasheizung durch eine Wärmepumpe und die Installation einer Photovoltaikanlage und Gebäudedämmung gerechnet werden muss. Es ist also richtig, eine politische Debatte darüber zu führen, wie die Kosten der Klimaanpassung in der Gesellschaft verteilt werden können.
Dabei ist auch zu beachten, dass bei der Wahl einer Wohnung oder eines Hauses die Energieeffizienz heute für die Deutschen das zweitwichtigste Kriterium ist, knapp hinter dem Preis aber vor Ruhe, Nähe zur Natur, einer guten Ausstattung oder viel Wohnfläche. Die Bevölkerung weiß also, das sich etwas ändern muss, und rückt den Nutzen von erneuerbaren Energieträgern, Gebäudesanierungen für einen verringerten Energieverbrauch und eine größere Unabhängigkeit der Energieversorgung vom Ausland auf die vordersten Plätze energiepolitischer Maßnahmen, deutlich vor staatliche Maßnahmen zur Begrenzung von Miet- und Baukosten oder eine Verstaatlichung der Energieversorgung. Ihr scheint klar zu sein, dass eigene Verhaltensänderungen und technische Maßnahmen mehr für die Zukunft bringen, als weiter auf die Politik zu warten.
Einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse liefert das Booklet zum TechnikRadar 2023, alle Informationen sind in der Langfassung zu finden.
Wolfgang Hauser und Cordula Kropp