Die Universität Stuttgart hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein. Ein relevanter Baustein hierfür ist der Gebäudebereich (Neubau und Bestand). Hier waren in den letzten Jahren nur geringe Erfolge zu verzeichnen, was unter anderem an der mangelnden Einbindung von Nutzer*innen sowie der unzureichenden Abstimmung zwischen den Beteiligten in der Bau- bzw. der Nutzungsphase lag. Mittlerweile nehmen innovative Baumaterialien und intelligente Steuerungselemente einen immer stärkeren Raum ein. Im Rahmen des Forschungsprojektes „CampUS hoch i“ soll deshalb die Rolle dieser neuen Möglichkeiten im Sinne einer partizipativen Technikentwicklung erprobt werden. Dabei werden im Stile eines Reallabores mittels Co-Design und Co-Kreation zentrale Akteure (z. B. Wissenschaftler*innen, Studierende, Angestellte der Universität Stuttgart, Stakeholder*innen) in den Prozess der Entwicklung, Umsetzung und Anwendung eingebunden. Zu beachten sind hierbei sowohl die Perspektiven der (potenziellen) Nutzer*innen (Bedürfnisse, Wünsche, Verhaltensänderungen etc.) als auch die technischen Möglichkeiten und Anforderungen (Smart Home, künstliche Intelligenz, Eigenschaften der eingesetzten Materialien etc.).
In gemeinsam entwickelten Realexperimenten werden die Möglichkeiten und Grenzen der neuen Technologien erprobt sowie soziale Dimensionen berücksichtigt. Die Ideen hierfür stammen aus Innovationsworkshops und anderen Kreativformaten (z. B. Hackathons, Pitch-Decks). (Potenzielle) Nutzer*innen und Akteure werden dazu eingeladen, eigene Vorstellungen und Lösungen in den Prozess einzubringen und Umsetzungsperspektiven zu entwickeln. Es fließen Leitfragen zu Mensch-Technik-Interaktion und nutzergerechter Planung ein, u.a. dazu, wie sich intelligente Steuerungen mit den alltäglichen Verhaltensmustern sowie mit Nutzeransprüchen und -bedürfnissen (besser) vertragen. Durch die Realexperimente werden verschiedene Seiten von Klimaneutralität für alle Beteiligten besser greifbar und die Wahrscheinlichkeit einer praktikablen Umsetzung erhöht. Gleichzeitig wird das Potenzial „intelligenter“ Technologien hinterfragt und mit der Perspektive von (potenziellen) Nutzer*innen verbunden. Außerdem ermöglicht das verlinkte Projekt MobiLab, Aspekte der mit Gebäuden gekoppelten Mobilität einzubeziehen.
Räumlich ist das Reallabor am Campus Vaihingen der Universität Stuttgart angesiedelt, wo in den kommenden Jahren zahlreiche Bauvorhaben realisiert und im Projekt MobiLab auch eine neue Mobilitätskultur entwickelt wird. Die nutzerintegrativen Prozesse werden anhand typischer Beispielgebäude für Neu- und Bestandsbauten entwickelt und demonstriert und in das Mischquartier aus ‚Laboren, Wohnen, Leben‘ integriert. Das erarbeitete „proof-of-concept“ soll es ermöglichen, die nutzerintegrativen Prozesse zum Standard zu erheben und auch im Falle von Landesliegenschaften und anderer Campusse anwenden zu können. Die Ergebnisse werden deshalb im Hinblick auf ihre Übertragbarkeit (z. B. auf Industrie- und Uni-Campusse) und Akteurskonstellationen geprüft. Insgesamt soll somit eine Blaupause für partizipative, erfolgversprechende Planungs- und Umsetzungsprozesse für klimaneutrales Wohnen, Leben und Bauen entstehen.
Eine weitere Zielperspektive ist die effektive Kommunikation der Schritte und Ergebnisse des Prozesses. Dazu wird für den gesamten Campus ein „Klimabarometer“ erstellt, mit dem die Fortschritte nachverfolgt werden können. Es wird mit dem im Projekt MobiLab entwickelten Dienstreise-Barometer verknüpft. Außerdem ist geplant, einen Showroom z. B. einen Pavillon oder ein innovatives Gebäude, auf dem Campus Vaihingen zur Demonstration, Präsentation und Veranschaulichung der eingesetzten Technologien und Innovationen (z. B. Baustoffe, Steuerungssysteme) zu nutzen. Diese sogenannte „Bauhütte“ (abgeleitet von mittelalterlichen Hütten an Kathedralbauten zur Wissensweitergabe um die Kunst des Bauens) soll gemeinsam mit Partner*innen (Universität Stuttgart, Praxispartner*innen, Unternehmen etc.) realisiert werden und dem Austausch und Vermittlung der Erfahrungen sowie der Projektergebnisse an Stakeholder*innen und Multiplikator*innen (z. B. Architektenkammer) und zur Weiterbildung von Praxisakteuren (z. B. Handwerk) dienen. Das vorliegende Projekt unterstützt auch die Bildung eines „Green Office“ an der Universität Stuttgart, mit dem die Maßnahmen zur verstärkten Nutzerintegration effizienter umgesetzt werden sollen.
Der Fokus von ZIRIUS im Reallabor CampUS hoch i liegt erstens im Bereich der Partizipation. Dies betrifft die Beteiligung der relevanten Akteure (Studierende, Uniangestellte, Stakeholder*innen etc.), die Berücksichtigung der unterschiedlichen Perspektiven, Einstellungen, Meinungen, Verhaltensweisen etc. dieser Akteure in den Realexperimenten sowie den Entwurf der Realexperimente im Dreiklang von energieoptimierenden Materialien, innovativen Steuerungsinstrumenten und Perspektive der Nutzer*innen unter dem Leitbild der partizipativen Technikgestaltung. Zweitens ist die Generierung von systematischem Wissen zur Rolle der Akteure auf dem Campus mit Blick auf den Bau und Betrieb möglichst klimaneutraler Gebäude ein Ziel der Tätigkeiten von ZIRIUS. Drittens ist das ZIRIUS-Team in die Kommunikation von (Zwischen-)Ergebnissen in Abstimmung mit der Uni Stuttgart (Homepage, Pressemitteilungen, Social Media etc.) eingebunden.
Forschungsteam
Assoziierte Kooperationspartner*innen:
- Universität Stuttgart, Universitätsleitung
- Universitäts-Bauamt Stuttgart und Hohenheim
- Studierendenvertretung (stuvus) Studentische Hochschulgruppen Uni Stutt-gart
- Projekt „MobiLab“
- Exzellenzcluster „Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur“ IntCDC
- Stadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz
- Architektenkammer Baden-Württemberg
- Industriepartner BOSCH, TECOMON, EnBW, Drees&Sommer, MVV Energie AG, KOP GmbH, ENGIE Deutschland, Viessmann