UrbI – UrbanInsects: Fassadenintegrierte Habitat-Systeme für Insekten

Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung

Untersuchung bauphysikalischer Aspekte sowie der gesellschaftlichen Einstellung zu fassadenintegrierten Habitat-Systemen für Insekten

Projektförderung

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV),
Bundesamt für Naturschutz (BfN)
im Bundesprogramm Biologische Vielfalt

Bundesland

Baden-Württemberg

Projektlaufzeit

Juli 2023 – Juni 2026

Gesamt-Finanzvolumen

975.752 Euro

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Philip Leistner
Institut für Akustik und Bauphysik
Pfaffenwaldring 7, 70569 Stuttgart
+49 711 685 66577
philip.leistner(a)iapb.uni-stuttgart.de

Hintergrund
Der allgemeine Verlust an Insekten hinsichtlich Vielfalt und Menge erfordert sofortiges und wirkungsvolles Handeln, da sowohl die Ökosystemdienstleistungen als auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktionen unverzichtbar sind. Den Verlust komplexer Lebensräume und Schutzmaßnahmen können künstliche Habitat-Systeme zwar nicht ausgleichen. Sie sind dennoch eine sinnvolle Zusatzmaßnahme zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zur Lebensraumerweiterung. Auch wenn bereits viele Menschen mehr Raum für Naturerfahrungen und Grünflächen unterstützen, gibt es bei der gesellschaftlichen Beteiligung und Bewusstseinsbildung hinsichtlich der Insektenvielfalt Optimierungspotential. Vielfach sind Insekten negativ konnotiert oder das Wissen ist auf eine Insektengruppe (Bienen) beschränkt. Während die meisten gefährdeten Arten durch ihr Aussterben in der westlichen Gesellschaft Bedauern hervorrufen, kommt für Insekten oft nur wenig Mitgefühl oder gar Akzeptanz auf. Sie werden als gefährlich wahrgenommen oder erzeugen Ekel. Zugleich gilt die Ansiedlung von Insekten auf oder in Fassaden als Schädlingsbefall. Der Innovationsgehalt des Projektes liegt somit in der erstmaligen ganzheitlichen Betrachtung und Zusammenführung von gesellschaftlichen Belangen mit denen des Natur- und Umweltschutzes sowie der verfügbaren Technologien auf diesem wichtigen Themenfeld.

Ziel und beabsichtigte Wirkung des Projektes
Das Naturschutzprojekt zielt auf die Untersuchung, Entwicklung und Erprobung fassadenintegrierter Habitat-Systeme zur Steigerung der Artenvielfalt. Dabei werden bauphysikalische, baukulturelle und soziale Aspekte berücksichtigt, um funktionale Sicherheit und gesellschaftliche Unterstützung zu vereinen. Im Fokus steht die Schaffung von Habitaten für Insekten an Bestands- und Neubauten im öffentlichen und privaten Bereich. Das lebensräumliche Wirkpotenzial dieser Bauwerke soll wissenschaftlich erschlossen, technologisch erweitert und praktisch erprobt werden. Im Hinblick auf die Gestaltung der gebauten Umwelt zur Steigerung der biologischen Vielfalt sind mehrere Herausforderungen zu bewältigen. Beispielsweise dürfen die fassadenintegrierten Habitat-Systeme für Insekten dauerhaft weder die Gebäudesubstanz (Funktion, Erscheinungsbild) noch den Nutzerkomfort und die Einstellung der Bewohnenden gegenüber Insekten beeinträchtigen.

Maßnahmen
Tradierte und insbesondere mit neuen Bautrends verbundene Vorbehalte gegenüber Insekten betreffen z. B. die vielfältige Verwertung von gebräuchlichen Dämmstoffen, die Überwindung typischer Dichtungsebenen und die Lebensspuren auf anfälligen Sichtflächen. Allein das fundierte und interdisziplinär aufbereitete Wissen zu diesen Wechselwirkungen stellt daher einen Fortschritt dar. Das Projekt geht jedoch weiter, indem dieses Wissen in neuartige Lösungsansätze für fassadenintegrierte Habitat-Systeme vom Boden bis zum Dach mündet. Biozide Stoffe sind dabei a priori ausgeschlossen. Im Vordergrund stehen stattdessen konstruktive und intelligente Gestaltungsvarianten, wie z.B. passive und aktive Schicht- und Flächenbarrieren, integrierte Hohlraumsysteme sowie natürlich auch eine geeignete Werkstoffauswahl. Die aktuell zunehmende Verwendung von Materialien mit biogenem Hintergrund oder aus nachwachsenden Rohstoffen stellt dabei eine der Herausforderungen dieses Projektes dar. Eine weitere Herausforderung erwächst aus der erforderlichen Zustimmung für die fassadenintegrierten Habitat-Systeme, sowohl des damit verbundenen Aufwandes als auch der neuen Nachbarschaft. Tragfähige Lösungen werden sich daher nur durch einen iterativen Austausch der Disziplinen entwickeln und vermitteln lassen. Dieser Notwendigkeit trägt das Projekt durch einen Verbund der Fachbereiche sowie durch ein enges Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis Rechnung. In diesem Sinne greift das verfolgte Konzept neben der Biodiversitätssteigerung auch Faktoren wie das Stadtklima und nachhaltiges Bauen sowie die Teilhabe und Interaktion in der Stadtgesellschaft auf.

Konkret umfasst das Projekt folgende Maßnahmen:

  • Entwicklung partizipativer Kommunikationsformate zur Bewusstseinsbildung und zur positiven Einstellung gegenüber Insekten,
  • Demonstrative Umsetzung durch die Entwicklung, den Bau sowie die Erprobung und Optimierung von zwei Habitat-Demonstratoren,
  • Einbau erprobter Systeme in Gebäudefassaden,
  • Dokumentation und Leitfaden zur Integration von fassadenintegrierten Habitat-Systemen in urbane Räume,
  • Reproduzierbares Monitoring-Konzept sowie Empfehlungen zur naturnahen Außenraumgestaltung,
  • Wissenstransfer aufbereiteter Ergebnisse in die Bevölkerung und Baupraxis.

Der Beitrag von ZIRIUS zum Projekt
ZIRIUS ist mit seiner Expertise im Bereich Kommunikation und Partizipation eingebunden. Dies betrifft unter anderem die Organisation, Durchführung und Auswertung von Fokusgruppen mit von biodiversitätsfördernden Fassadenkonstruktionen betroffenen bzw. nicht betroffenen Bürgerinnen und Bürgern sowie Akteuren, die mit der professionellen Installation von insektenfördernden Fassadenhabitaten tatsächlich oder potenziell zu tun haben könnten (z. B. Handwerksbetriebe, Wohnbauunternehmen, Behörden). Außerdem wird eine standardisierte, deutschlandweite Online-Befragung der deutschen Bevölkerung zu Chancen und Risiken der Insektenansiedlung im Wohnbereich urbaner Räume durchgeführt werden. Dabei geht es unter anderem um das Wissen über bzw. die Einstellung gegenüber biologischer Diversität und Insekten sowie fördernde und hemmende Faktoren der Akzeptanz von Maßnahmen zur Steigerung der biologischen Vielfalt. Die empirischen Untersuchungen dienen der Ableitung von partizipativ erarbeiteten Strategien für die erfolgreiche Umsetzung fassadenintegrierter Habitate unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Risikowahrnehmung sowie der Verbreitung dieser Strategien durch Publikationen in Fachzeitschriften.

Erwartete Ergebnisse
Die Projektergebnisse können einen wichtigen Impuls liefern, um den transformativen Prozess hin zu einer biodiversitätsfördernden, nachhaltigen Stadt zu unterstützen. Gewonnene Erkenntnisse und Lösungsansätze zur urbanen Biodiversitätssteigerung an und um Fassaden werden durch eine verständliche Aufbereitung in der Gesellschaft geteilt, ins Bewusstsein gebracht und können somit neben einer Wissensbildung auch zur Nachahmung beitragen. Unterstützt wird dieses Ziel durch die öffentlich zugängliche und niedrigschwellige Projektdokumentation und den daraus abgeleiteten Wissenstransfer. Neben wissenschaftlichen Publikationen, einem Leitfaden als Informationsquelle und Handlungshilfe werden weitere Formen der Ergebnisverwertung genutzt. Beispiele hierfür sind die interaktive Projekthomepage mit einem Forum und (Live-)Bildern der Untersuchungsräume/-flächen, Informationen für themenbezogene Netzwerke, Publikationen in Massenmedien sowie der Stakeholder-Dialog für Fachleute.

Die Ergebnisse umfassen:

  • Wissenschaftlich fundierte Vorzeigeobjekte,
  • Interaktive Website mit Gestaltungswissen,
  • Transferwerkzeuge für die praktische Anwendung,
  • Leitfaden und Handlungshilfen, Präsentationen und Publikationen.

Die Projektbeschreibung auf dieser Website gibt die Auffassung und Meinung des Zuwendungsempfängers des Bundesprogramms Biologische Vielfalt wieder und muss nicht mit der Auffassung des Zuwendungsgebers übereinstimmen.

Projektsupervision

Ansprechpartner ZIRIUS

Mitarbeiterin ZIRIUS

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