Arbeiten von wo man will? Ins Büro kommen, wann es einem passt? Bis vor ein paar Jahren war dies in den meisten Branchen undenkbar. Die Corona-Pandemie hat dies grundlegend geändert. Plötzlich standen fast alle Arbeitgebenden in Deutschland vor der Herausforderung von jetzt auf gleich mobiles Arbeiten und hybride Arbeitsweisen zu ermöglichen. So bot sich für ZIRIUS die Gelegenheit die Chancen und Herausforderungen in zwei Unternehmen und einer Kommunalverwaltung zu erproben und zu identifizieren.
Dazu wurden drei – im wahrsten Sinne des Wortes – Realexperimente durchgeführt. In Realexperimenten werden innovative und alltagstaugliche Alternativen und Lösungen ausprobiert und auf ihre nachhaltigen Wirkungen hin ausgewertet. So ist der Alltag der Teilnehmenden der Ausgangspunkt des methodischen Ansatzes.
Bereits seit vielen Jahren spielt sich ein zunehmender Teil der betrieblichen Wertschöpfung im Informationsraum ab. Die damit verbundenen Arbeitstätigkeiten sind zu einem hohen Anteil demateriell und somit räumlich kaum gebunden. Dennoch war es üblich an der Präsenzarbeit im Betrieb festzuhalten. Das hat sich durch die Corona-Pandemie geändert.
Das neue Motto lautet: Arbeite, wo du willst. Komme in den Betrieb, wenn es passt. Dadurch entstehen neue Möglichkeiten und Anforderungen an die räumliche Koordination von Kooperation und Zusammenarbeit. Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus? Und welche Erfahrungen damit gibt es für das individuelle Arbeiten und die Teamarbeit? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für Arbeitgebender auf kultureller und individueller Ebene?
Zunächst stellte sich die grundsätzliche Frage, wie der Arbeitsplatz der Zukunft gestaltet werden muss. In den teilnehmenden Unternehmen der Reallabore wurden Arbeitsplätze neu- und umgestaltet. Insbesondere im Partnerunternehmen Balluff GmbH wurde ein völlig neues Raumkonzept konzipiert und getestet. Mehrere Teams aus unterschiedlichen Abteilungen testeten die sogenannte New-Work-Area (NWA) und reflektierten dies anschließend in von ZIRIUS gestalteten Workshops. Zu den markantesten Neuerungen gehören ein Flex-Desk-Konzept, bei dem die Arbeitsplätze nicht mehr persönlich zugewiesen sind, sondern jeden Tag neu gewählt werden können.
Zum anderen wurde nicht länger das Konzept eines „klassischen“ Großraumbüros“ umgesetzt. Vielmehr wurde die Fläche in Zonen aufgeteilt, um den unterschiedlichen Bedarfen gerecht zu werden. Hierzu zählen bspw. Besprechungszonen und –räume, Fokuszonen für konzentriertes Arbeiten und „Soft Seating“ zur Förderung von Kommunikation und Konzentration.
In der Bewertung der NWA hielten sich positive und negative Bewertungen die Waage. Begrüßten die einen die moderne Gestaltung, so fiel es den anderen schwer, nicht mehr einen „eigenen“ Arbeitsplatz zu haben, was sich negativ auf die Arbeitsleistung auswirkte. Gelobt wurde von allen jedoch der partizipative Ansatz bei der Gestaltung der neuen Arbeitswelt. Diese wird idealerweise in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden erarbeitet und getestet. So können die unterschiedlichen Bedarfe und Bedürfnisse besser erkannt und adressiert werden. Für die Unternehmen ergibt sich überdies ein räumliches Einsparpotential, da durch die Kombination von mobiler Arbeit und Shared- Desk-Konzepten weniger Fläche für Büroräume benötigt wird.
Neben der Gestaltung stellte sich auch die Frage, wie sich ein mobiles und damit auch hybrides Arbeiten auswirkte. Arbeiteten manche Beschäftigte auch nach den Lockerungen der Pandemiemaßnahmen so gut wie gänzlich von zu Hause, so schätzten andere den Weg zurück an den Arbeitsplatz. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich dadurch? Diese wurden in Reflexionsworkshops mit Mitarbeitenden der Mercedes Benz Consulting GmbH und einer kommunalen Verwaltung diskutiert.
Zu den Chancen der hybriden Arbeit auf individueller Ebene von Führungskräften und Mitarbeitenden wurden in erster Linie neu angeeigneten Kompetenzen benannt. Für Erstere beinhaltete dies u.a. die Aneignung neuer Methoden und Techniken bei der Führung vornehmlich virtueller Teams. Aus Sicht der Leitungspositionen sei vor allem das Vertrauen in die Mitarbeitenden der entscheidende Faktor.
Die Mitarbeitenden benannten als neue Kompetenzen insbesondere Aspekte des Selbstmanagements und der Eigenverantwortlichkeit sowie teilweise eine bessere Vereinbarkeit von Privatem und Beruflichem.
Genau dieser letzte Aspekt fand sich aber auch in den benannten Herausforderungen der hybriden Arbeit. Hier wurden eine zunehmende Entgrenzung zwischen Freizeit und Arbeit sowie gestiegene Anforderungen durch Termindruck und die Überlastung durch virtuelle Meetings als Gründe genannt, die zu erheblichen psychischen Belastungen (Burn Out) führen können.
Kulturelle Chancen und Herausforderungen wurden besonders in drei Themenbereichen identifiziert: bei der Integration neuer Mitarbeitender, dem Teambuilding sowie der Frage nach der Gleichberechtigung zwischen physisch Anwesenden und mobil Arbeitenden.
Grundsätzlich ergibt sich aus der konsolidierten hybriden Arbeitsweise für die in VenAMo beteiligten Unternehmen die Chance, Fachkräfte aus einem größeren Einzugskreis zu gewinnen. Herausfordernd ist dabei jedoch, wie der Wissenstransfer, die informelle Kommunikation und das Netzwerken bei der Integration neuer Mitarbeitenden gewährleistet werden können.
Beim Thema Teambuilding lautete das Motto: „Lieber hybrid als gar nicht“, so die Teilnehmenden. Hier herrschte große Einigkeit darüber, dass Teambuilding ein teils langer Prozess sei, der am Besten in Präsenz funktioniere.
Um eine Diskrepanz zwischen mobil Arbeitenden und denen, die bei der Arbeit anwesend sind zu vermeiden braucht es eine gute Balance zwischen Präsenz und Online-Arbeit. Hier wurde ebenfalls betont, dass die Basis hierfür das Vertrauen in Mitarbeitende und Kolleg*innen sei: „Vertrauen bedeutet Wertschätzung“.
Weitere Informationen und Ergebnisse finden sich auf der Projekthomepage: www.venamo.de