Blog-Beitrag Nr. 8: Zukünftige Wasserkonflikte in Deutschland – (k)ein vertracktes Problem?

23. April 2024 /

Welche Wasserkonflikte könnten in Deutschland auf uns zukommen? Das Projekt ZuWaKo hat Thesen zur Vertracktheit des Problems, zu Framingkonflikten und zu Governancekonflikten in Bezug auf zukünftige Wasserkonflikte entwickelt.

Hitzewellen, Trockenheit, aber auch Starkregenereignisse sind in Deutschland bereits heute als Folge des Klimawandels zu spüren. Diese Phänomene können sich in Zukunft noch verstärken. In Wissenschaft, Politik und Medien mehren sich die Stimmen, die davor warnen, dass im ursprünglich wasserreichen Deutschland – zumindest lokal und saisonal – mit Wasserknappheit zu rechnen ist. Dies kann bestehende Nutzungskonkurrenzen zwischen Industrie, Wasserwirtschaft/Privathaushalten, Landwirtschaft und Ökosystemen verschärfen oder neue Konflikte um die Nutzung, die Verteilung und den Schutz von Oberflächen- und Grundwasserressourcen schaffen.

Im Projekt ZuWaKo, gefördert von der Daimler und Benz Stiftung, nehmen wir seit Mitte 2022 solche möglichen zukünftigen Wasserkonflikte aus inter- und transdisziplinärer Perspektive in den Blick. Als Zwischenergebnisse können wir drei Thesen festhalten:

1) Es handelt sich bei zukünftigen Wasserkonflikten um sog. wicked problems (Head 2022, Rittel & Webber 1973), was auf Deutsch in etwa vertrackte bzw. diffuse Probleme bedeutet. Diese Probleme sind durch ein hohes Maß an Unsicherheit, Komplexität und Konflikt gekennzeichnet. Hierdurch kann die Charakterisierung solcher Probleme selbst schon umstritten sein (s. These 2). Zukünftige Wasserkonflikte werden durch ein vielschichtiges Einflussnetzwerk aus Faktoren wie u.a. Klima, Landnutzung, Governance und Wirtschaft beeinflusst, deren verschiedene mögliche zukünftige Entwicklungen unsicher sind. Da nicht abschließend geklärt ist, wie sich z.B. zukünftige Niederschläge und Grundwasserneubildung tatsächlich entwickeln, spielt auch die Erwartung sozialer Akteur*innen eine bedeutende Rolle: Diese antizipieren bestimmte Zukünfte, definieren für diese ihre Ziele und gehen diese mit Maßnahmen an. Sie können demnach sog. Policies implementieren, um auch in Zukunft von einem möglichen Problem möglichst wenig betroffen zu sein. Hierdurch entsteht eine zweite Ebene von Komplexität und strategischer Unsicherheit: Auch Policies stehen untereinander sowie mit möglichen Zukunftsentwicklungen in Wechselwirkung. Auch der tatsächliche Outcome der Policies unter unsicheren Zukunftsprognosen ist nicht klar absehbar. Antizipieren die Akteur*innen  verschiedene Zukünfte, haben sie verschiedene (konkurrierende) Ziele oder entscheiden sie sich für Maßnahmen, die die Interessen anderer Akteur*innen  bzw. den Erfolg derer Maßnahmen beeinträchtigen, kann das zu Konflikten führen.

Drei zentrale Charakteristiken von vertrackten Problemen („wicked problems“, Head 2022)

2) Ob in der zukünftigen Wasserverfügbarkeit und -verteilung ein Problem vorliegt und wenn ja, was genau das Problem sein wird, ist noch nicht geklärt. Hier bestehen sogenannte Framing-Konflikte. Warum ist Framing, die sog. Rahmung, wichtig? Das Framing eines Problems hat deutliche Auswirkungen auf die möglichen Lösungen, die z.B. in der nationalen Wasserstrategie diskutiert, entschieden und schließlich implementiert werden sollen. Zur Illustration: Ist ein Problem als Knappheit gerahmt, braucht es mehr/ alternative Ressourcen oder einen sparsameren Umgang mit verfügbaren Ressourcen. Ist ein Problem dagegen als Verteilungsproblem gerahmt, müssen neue Priorisierungen und Verteilungsschlüssel entwickelt werden. Dieser Framingprozess ist zurzeit noch offen, weshalb wir von einem „emerging wicked problem“ sprechen (s. Kirschke/Kosow 2022).

3) Neben klassischen Ressourcenkonflikten (d. h. Konflikten um die Nutzung, Verteilung und Schutz von Oberflächen- und Grundwasser) tauchen im Austausch mit den Akteur*innen aus der Praxis vor allem auch Governancekonflikte als zentrales gegenwärtiges Problem auf: Wer, d.h. welche (administrative), kommunale, bundeslandspezifische oder (Bundes-)Instanz kann bzw. muss heute unter hoher Zukunfts- und Daten-Unsicherheit handeln? Dies betrifft auch die grundlegende Frage, wie wir die generelle Herausforderung in der Klimaanpassung adressieren: einerseits soll kommunale Verwaltungshoheit als hohes demokratisches Gut bewahrt werden, andererseits der Bedarf nach umfassenderer Planung und übergreifenden Strategien erfüllt werden. Governancekonflikte betreffen z.B. die Frage, wer die Kosten für hohe finanzielle Investitionen zum Ausbau der Infrastruktur unter hoher Unsicherheit trägt. Governancefragen betreffen auch Formen der Zusammenarbeit und Koordination verschiedener Akteur*innen, Sektoren und Ebenen.

Um mit der „wickedness“ d. h. Vertracktheit, zukünftiger Wasserkonflikte umzugehen, erproben wir in ZuWaKo den Einsatz von qualitativer Systemanalyse (CIB, Cross-Impact Bilanzanalyse, Weimer-Jehle 2006), Szenarien und Planspielen. Wir kombinieren dabei alternative Kontextszenarien (Weimer-Jehle 2016) mit alternativen Policy-Mixen (Kosow et al. 2022). So können robuste Kombinationen von möglichst synergetischen Instrumentenbündeln ausprobiert und in ihren vielfältigen Wechselwirkungen erfahrbar gemacht werden. Im Rahmen von partizipativer Modellierung und Planspielen entwickeln Akteur*innen verschiedener Sektoren so ein gemeinsames Problemverständnis und mögliche Lösungsansätze, die Unsicherheit, Komplexität und Konflikte explizit antizipieren und adressieren.

Mehr Informationen auf www.zuwako.de

Kontakt: Dr. Hannah Kosow

Literatur:

Head, B. W. (2022). The Rise of ‘Wicked Problems’—Uncertainty, Complexity and Divergence. In Wicked Problems in Public Policy: Understanding and Responding to Complex Challenges (pp. 21-36). Cham: Springer International Publishing.

Kirschke, S., & Kosow, H. (2022). Designing policy mixes for emerging wicked problems. The case of pharmaceutical residues in freshwaters. Journal of Environmental Policy & Planning, 24(5), 486-497; https://dx.doi.org/10.1080/1523908X.2021.1960808

Kosow. H., Weimer-Jehle, W., León, C., Minn, F. (2022): Designing synergetic and sustainable policy mixes - a methodology to address conflictive environmental issues. In: Environmental Science & Policy 130, 36-46; https://dx.doi.org/10.1016/j.envsci.2022.01.007

Rittel, H. W. J. & Webber, M.M. (1973). Dilemmas in a general theory of planning. Policy Sciences 4(2): 155-169. https://doi.org/10.1007/BF01405730

Weimer-Jehle, W., Buchgeister, J., Hauser, W., Kosow, H., Naegler, T., Pregger, T., Poganietz, W., Prehofer, S., Rieder, A., Schippl, J., Vögele, S. (2016): Context scenarios and their usage for the construction of socio-technical energy scenarios. In: Energy 111, 956–970; https://doi.org/10.1016/j.energy.2016.05.073

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